Die Röhrichte im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft

Fülle an Leben im Meer aus Halmen

Röhrichte gehören zu den besonders charakteristischen Lebensräumen der Vorpommerschen Boddenlandschaft. Sie stecken voller Leben. Von Natur aus wären alle Boddenufer von breiten Röhrichtsäumen umschlossen, die Schlickbänke und flachen Inseln von vielfältigen Röhrichten bedeckt. Auch viele der heute eingedeichten Flächen wären von mehr oder weniger dichten und hochwüchsigen Röhrichten bewachsen.

Schilfbestand am Boddenufer bei Abendsonne. © Kartin Bärwald
Schilfbestand am Boddenufer
Schilfbestand am Boddenufer
Einige Singvögel, wie dieser Teichrohrsänger, sind auf große ausgedehnte Schilfflächen angewiesen. Sie können sie jedoch nur nutzen, wenn die Schilfhalme des Vorjahres stehenbleiben. © Jürgen Reich
Einige Singvögel, wie dieser Teichrohrsänger, sind auf große ausgedehnte Schilfflächen angewiesen. Sie können sie jedoch ...
Einige Singvögel, wie dieser Teichrohrsänger, sind auf große ausgedehnte Schilfflächen angewiesen. Sie können sie jedoch nur nutzen, wenn die Schilfhalme des Vorjahres stehenbleiben.
Große ausgedehnte Schilfbestände sehen eintönig aus, sie sind aber voller Leben. © Klaus-Herbert Schröter
Große ausgedehnte Schilfbestände sehen eintönig aus, sie sind aber voller Leben.
Große ausgedehnte Schilfbestände sehen eintönig aus, sie sind aber voller Leben.

Die Pflanzenwelt der Röhrichte

Die Vegetation der Röhrichte besteht hauptsächlich aus unterschiedlichen Schilftypen. Neben groß- und niedrigwüchsigen Schilfröhrichten kommen an sandigen Uferabschnitten von Ostsee- und Boddenufern auch Röhrichte vor, die fast nur von der Meerbinse (Bolboschoenus maritimus) gebildet werden. In den großwüchsigen Brackwasserröhrichten kommen eingestreut Hochstauden wie Strand-Aster (Aster tripolium) und Salz-Gänsedistel (Sonchus arvensis ssp. uliginosus) vor. Auch niedrigwüchsige Stauden wie die Salzbunge (Samolus valerandi) und Strand-Segge (Carex extensa) besiedeln diesen Röhrichttyp.

Die Tierwelt der Röhrichte

Röhrichte wirken zunächst monoton, aber dieser Lebensraum steckt voller Leben! Viele wirbellose Tiere sind Bewohner der Meerbinse oder des Schilfrohrs (Phragmites australis), wie beispielsweise Schilffliegen (Lipara). Die Larven dieser für Schilfröhrichte typischen Art bewirken auffällige, zigarrenförmige Gallenbildungen an der Spitze der Schilftriebe. Beim genauen Hinsehen kann man sie in fast jedem Schilfröhricht finden. Diese Gallen sind gleichzeitig Lebensraum für zahlreiche weitere Insektenarten, zum Beispiel die seltene Schilf-Maskenbiene (Hylaeus pectoralis).

Die Artenvielfalt entsteht aber auch durch Moostierchen und weitere Insekten, die im und auf dem schlammigen oder sandigen, oft streubedeckten Boden der Röhrichtzonen leben. Andere Arten kommen in den Boddengewässern oder den Wattflächen vor, besiedeln aber auch den Röhrichtboden mit zum Teil außerordentlich hohen Individuendichten. Verschiedene Schmetterlinge wie Schilfeulen verleben ihr Larvenstadium im Innern der Schilfhalme und sind im Nationalpark mit einem weiten Artenspektrum vertreten.

Typische Brutvögel der Schilfröhrichte im Nationalpark sind Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus) und Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus) im Halmbereich. Rohrweihe (Circus aeruginosus), Schnatterente (Anas strepera), Knäkente (Anas querqedula), Löffelente (Anas clypeata), Kolbenente (Netta rufina) und zahlreiche weitere Entenvögel brüten am Boden.

Die seltene Bartmeise braucht ungenutzte große Schilfflächen. Im Nationalpark findet sie diese. © Jürgen Reich
Die seltene Bartmeise braucht ungenutzte große Schilfflächen. Im Nationalpark findet sie diese.

Bartmeise


Der Lebensraum von Bartmeisen (Panurus biamicus) sind ausgedehnte dichte Schilfflächen. Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft finden sie diese. Wie alle Vögel, die im Schilf brühten, sind sie auf die Schilfhalme des Vorjahres angewiesen. In diese können sie im Frühjahr ihre Nester hängen.

Gefährdung von Schilfbeständen

Eindeichung, Entwässerung, die Auswirkungen von Wassersport und Schifffahrt sowie landwirtschaftliche Nutzung haben die Röhrichte an vielen Stellen verdrängt. Auch im Gebiet des Nationalparks wirken diese Einflüsse.

Seit 2016 findet keine Rohrmahd mehr im Nationalpark statt. Seitdem können sich die Röhrichte hier ungestört zu Altschilfflächen entwickeln.