Auftakt mit Moorforscherin Dr. Franziska Tanneberger
Nach dreijähriger coronabedingter Pause fand der jährliche Saisonauftakt des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft am Donnerstag erstmalig wieder statt. Er leitet traditionell in die Nationalparksaison ein, die aktuell ganz unter dem Motto „MoorWildnis“ steht. Mit dem aktuellen Jahresthema wird nicht nur auf die Bedeutung der bedrohten Feuchtgebiete für das Klima, sondern ebenso auf diesen besonderen Landschafts- und Lebensraum vieler seltener Tier- und Pflanzenarten und Renaturierungsprojekte aufmerksam gemacht.
Nachdem Amtsleiter Gernot Haffner die Veranstaltung eröffnete, legte Minister für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt, Dr. Till Backhaus, in seinem Grußwort den Fokus sogleich auf den Moorschutz – und damit auch auf den Klimaschutz. Mehrmals wiederholte er das Ziel, dass Mecklenburg-Vorpommern bis 2040 klimaneutral sein müsse. Um das zu erreichen und auf diesem Wege Emissionen zu stoppen, müssen bis dahin nahezu alle Moore wiedervernässt sein. So überraschte es nicht wenige der an die 100 Besucher im Saal, dass die Emissionen aus entwässerten Mooren in Mecklenburg-Vorpommern mit 30 % die weitaus größte Treibhausgasquelle des Bundeslandes ausmachen. „Sie müssen nass“, unterstrich folglich Minister Dr. Backhaus im Angesicht der 6 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten, die so alleine in M-V aus den Mooren kommen. Um weitere Weichen für den Moorschutz zu stellen, wurde im letzten Jahr auch die Taskforce Moorklimaschutz gestartet – ein Gremium aus Wissenschaft, Verbänden, Interessensvertretungen und Verwaltung, das sich beispielsweise mit Rechtsfragen, der Flächenverfügbarkeit, mit Nutzungsalternativen und der Finanzierung beschäftigt.
Auch auf die Großprojekte Ersatzhafen am Darßer Ort und dem Campingplatz am Prerower Nordstrand kam Minister Dr. Backhaus zu sprechen. Für letzteren wird nach einem neuen Betreiber gesucht, der eine nationalparkgerechte Entwicklung des Campingplatzes sicherstellt. „Ich gehe davon aus, dass wir diesen Campingplatz zu einem Leuchtturm des Landes machen“, äußerte Minister Dr. Backhaus seine Erwartungen. „Er ist ein Beispiel dafür, wie wir etwas gemeinsam auf den Weg bringen können, mit dem Nationalpark“, fuhr er fort.
Im anschließenden Vortrag gab Amtsleiter Gernot Haffner einen Rückblick auf Geschafftes im Nationalpark in den letzten beiden Jahren. So wurden unter anderem fast 34 km des Nationalpark-Wegenetzes modernisiert. Aus den über einen Zeitraum von sechs Jahren fast 3 Mio. Euro EU-Fördermitteln steht die Wegemodernisierung dabei mit knapp 60 % für den größten Anteil. Andere Projekte, die mithilfe der Fördermittel finanziert werden, sind beispielsweise der Schutz mariner Lebensräume, die Kartierung des Waldes oder die Errichtung eines Erlebnispfades. Projekte, wie die Renaturierung der Sundischen Wiese und der Moore im Jasmund, sind Vorhaben, die maßgeblich die Moorschutzziele der Nationalparke und des Landes voranbringen. Auf dem Jasmund wird in diesem Jahr mit dem 42. das vorerst letzte Moor mit Hilfe Freiwilliger wiedervernässt.
Mit modernen Zählgeräten wurden an der Victoriasicht auf dem Jasmund und am Deichweg Sundische Wiese bei Zingst Besucherzahlen ermittelt. Sie zeigen zu welchen Zeiten in beiden Nationalparks die Dimension des Massentourismus erreicht wird und wann und wo dauerhafte Herausforderungen der Besucherlenkung gelöst werden müssen. Im Rahmen des ersten Teils des Saisonauftaktes ernannten zudem Minister Dr. Backhaus und Amtsleiter Gernot Haffner drei neue Nationalpark-Partner. Mit den Betrieben Hotel Schlösschen Sundische Wiese Zingst, Freiluftbücher Prerow und Tourismusverband Fischland-Darß-Zingst e.V. wächst das Partner-Netzwerk der Vorpommerschen Boddenlandschaft auf 25 Botschafter an. Sie stehen für Qualität, Regionalität und Umweltbewusstsein und engagieren sich für die nachhaltige Entwicklung der Region. Besonders Freiluftbuchhändler Philipp Metzger war von der herzlichen Atmosphäre und dem kurzen persönlichen Gespräch mit Minister Dr. Backhaus sichtlich gerührt.
In der Pause folgte ein reger Austausch unter den Besuchern und Teilnehmern, bevor mit dem Vortrag von Dr. Franziska Tanneberger der mit Spannung erwartete Höhepunkt der Veranstaltung erreicht wurde. Sie ist eine der bekanntesten Moorforscherinnen Deutschlands und Leiterin des Moor Centrum Greifswald. „Frau Tanneberger hat für unser Bundesland auch international sehr viel an Renommee eingebracht“, fand Minister Dr. Backhaus eingangs lobende Worte für die Moorexpertin. In ihrem Vortrag „Moore an der Küste - Naturschätze oder Auspuff der Landschaft?“ legte sie auf anschauliche Weise die Auswirkungen von entwässerten Mooren dar und gab zahlreiche Einblicke in mögliche Landnutzungsoptionen auf nassen Flächen. Die sogenannte Paludikultur umfasst dabei land- und forstwirtschaftliche Nutzungen auf wiedervernässten Mooren, wie dem Anbau von Schilf für Reetdächer und Rohrkolben für Jackenfutter, der Haltung von Wasserbüffeln oder die Nutzung von wasserliebenden Schwarzerlen für die Holzwirtschaft. Gemeinsam für die verschiedenen Nutzungen ist, dass der Torfkörper dabei stets erhalten bleibt. Auf diese Weise lasse sich Landwirtschaft mit den Klimaschutzzielen vereinbaren. Gleichzeitig legte die Moorforscherin nahe: „Wir brauchen auch Tempo – die Uhr tickt!“ Auch wenn Schutzgebiete einen großen Anteil an den wiedervernässten Mooren haben, so müsse die Renaturierung auf eine große Akzeptanz in der Gesellschaft stoßen. „Die Entwässerung der Moore war früher ein gesamtgesellschaftliches Ziel und das muss auch heute wieder für die Wiedervernässung gelten“, betonte sie mit Nachdruck.
„Wir Deutschen haben historisch einen viel größeren Anteil am Klimawandel als zum Beispiel China, wo die Industrialisierung erst später einsetzte“, gab sie zu bedenken. Seit 1980 sind deutschlandweit etwa 70.000 ha Moore wiedervernässt worden. Notwendig seien ihren Worten nach jedoch 50.000 ha pro Jahr, um die Klimaziele bis 2050 und das 1,5°-Ziel zu erreichen. Eine Beschleunigung sei nötig und „das hätte die Dimension des Kohleausstiegs“, so die Moorexpertin. Im Vergleich zu Deutschland hat Mecklenburg-Vorpommern mit seinen etwa 30.000 ha wiedervernässten Moorflächen sogar einen Vorsprung. Dort wird schon verbreiteter mit nassen Mooren gelebt und dem Absinken von Landfläche entgegengewirkt. Die Wiedervernässung von Moorflächen sei außerdem, bezogen auf ihre Wirkung, eine der günstigsten Klimaschutzmaßnahmen, berichtete Frau Dr. Tanneberger.
Ihr Wissen rund um die Moore und ihre Zukunft sowie Geschichten mit „mooraktiven“ Menschen hat sie gemeinsam mit der Wissenschaftsjournalistin Vera Schroeder in dem Buch „Das Moor“ anschaulich, fesselnd und leicht verständlich niedergeschrieben. Ihr Buch hatte zeitgleich mit dem Saisonauftakt Premiere und so gehörte Minister Dr. Backhaus, dem sie abschließend ein Buch überreichte, mit zu den ersten Besitzern dieser wichtigen Lektüre.