Kulturgeschichte im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft

Von ersten Siedlern bis zur beliebten Urlaubsregion

Stein- und bronzezeitliche Funde zeigen, dass Menschen bereits in vorgeschichtlicher Zeit im heutigen Nationalparkgebiet anwesend waren. Lange Zeit war das Land nur wenig besiedelt, bis zur Jahrhundertwende des vorigen Jahrhunderts auch Urlauber die Region für sich entdeckten. 

Feuersteingeräte von unseren Vorfahren aus der Steinzeit © Rolf Reinicke
Steinzeitwerkzeuge aus Feuerstein der ehemaligen Siedler dieser Landschaft
Steinzeitwerkzeuge aus Feuerstein der ehemaligen Siedler dieser Landschaft
An Bäumen mit ausladenen Ästen kann man die frühere Nutzung des Waldes gut ablesen. Hier muss also mal  Hudewald gewesen sein. In Hudewälder trieb man das Vieh, dass dort dann Eicheln, Bucheckern aber auch junge Triebe fraß. © Annett Storm
Findet man Bäume mit sehr ausladenen Ästen mitten im Wald, weist das auf die ehemalige Nutzung durch Waldweide hin.
Findet man Bäume mit sehr ausladenen Ästen mitten im Wald, weist das auf die ehemalige Nutzung durch Waldweide hin.
Aussichtsplattform Hohe Düne mit Blick auf Küste Dünen, Ranger C. Wagner erklärt © K. Bärwald
Inzwischen besuchen den Nationalpark so viele Leute, wie noch nie. Ein gut ausgebautes Wander- und Radwegenetz leitet ...
Inzwischen besuchen den Nationalpark so viele Leute, wie noch nie. Ein gut ausgebautes Wander- und Radwegenetz leitet die Gäste. Aussichtspunkte bieten perfekten Einblick in die Werkstatt der Natur.

Trotz schwieriger Lebensbedingungen immer besiedelt

Erste dauerhafte Siedlungsspuren reichen bis in das frühe Mittelalter (500 – 1050) zurück und stammen von den Slawen. Im 12. Jahrhundert siedelten sich im Zuge der deutschen Osterweiterung im Gebiet freie Bauern an. Durch die Bevölkerungszunahme wurde bereits zu dieser Zeit sehr viel Wald gerodet. Mit der einsetzenden Beweidung der Küstenüberflutungsmoore entstanden im Hoch- und Spätmittelalter die noch heute landschaftsprägenden Salzweiden an den Boddenufern auf Standorten, die zuvor vom Wald, vor allem aber von Röhrichten bewachsen waren.

Die Landwirtschaft war auf den Inseln und Halbinseln der Boddenlandschaft lange nur ein Nebenerwerb zu Fischerei und Seefahrt. Angesichts der überwiegend für den Ackerbau nur schlecht geeigneten Standorte und der insgesamt schlechten Erreichbarkeit änderte sich das auch in den folgenden Jahrhunderten nicht. Entsprechend gering war der Drang, die Landschaft für landwirtschaftliche Zwecke umzugestalten. Lediglich die Waldrodung schritt weiter voran, Holz war als Brennstoff und für den Schiffbau begehrt. Noch im 18. Jahrhundert hatten die Wälder auf Darß und Zingst aber eine größere Ausdehnung als heute. Sie reichten zu dieser Zeit vielerorts noch bis an die Boddenufer. Auf Hiddensee und Ummanz herrschte jedoch bereits ein akuter Holzmangel. Als Brennstoff wurde hier – wie später auch auf Darß und Zingst – Torf gestochen.

Erst im 19. Jahrhundert begann der Bau von Entwässerungsgräben, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch von kleineren Deichen zur Landgewinnung. Ab 1870 wurden Sundische Wiese und Ummanz eingedeicht und der Prerowstrom zur Ostsee hin geschlossen. Der Fang von Seefischen im Bodden war nun kaum mehr möglich.

Die Armut auf dem Darß nahm zu, ein regionaler Bevölkerungsrückgang war die Folge. In den neu entstandenen Poldern war die Landwirtschaft aufgrund lang andauernder Staunässe kaum profitabel. Der Bau von Windschöpfwerken verbesserte die Situation, konnte die durch den Deichbau verursachten Probleme jedoch nicht völlig lösen.

Aufschwung des Tourismus

Zum Anbruch des 20. Jahrhunderts begrüßte man schon regelmäßig Touristen auf Darß und Zingst. Ein lang anhaltender Aufschwung des Fremdenverkehrs brachte den in der heutigen Nationalparkregion wohnenden Menschen eine neue Einkommensquelle, die die schwindenden Erträge aus Schiffbau, Schifffahrt und Fischfang ersetzen konnte.

In den 60er und 70er Jahren wurde mit komplexen Entwässerungsmaßnahmen die Landschaft für eine industriemäßige Rinderproduktion umgestaltet. Großflächige und tiefgreifende Landschaftsveränderungen fanden vor allem auf Darß und Zingst statt, aber auch auf Ummanz wurden große Flächen umgebrochen und entwässert. Nicht ganz so einschneidend waren die Meliorationsmaßnahmen auf Hiddensee. Zeitweise bewirtschaftete ein einziger landwirtschaftlicher Betrieb annähernd die gesamte Fläche des heutigen Nationalparks – vom Fischland bis nach Westrügen. Gülle- und Abwassereinleitungen aus der industriellen Landwirtschaft belasteten die Boddengewässer sehr stark. Nach den mittelalterlichen Rodungen markiert die Melioration der offenen und halboffenen Landschaften auf Darß/ Zingst und Ummanz in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den größten Landschaftswandel in der Region.

Trotz der Entwässerung sind natürliche und naturnahe Landschaftsausschnitte erhalten geblieben. Zahlreiche, seit 1957 ausgewiesene Naturschutzgebiete haben natürliche und naturnahe Landschaftsteile gesichert.

Mit der Ausweisung des Nationalparks 1990 und der Wiedervereinigung fand die intensive Landbewirtschaftung ein Ende. Die entwässerten Flächen werden nur noch extensiv genutzt, großen Teils in einen naturnäheren Zustand überführt oder vollständig den natürlichen Abläufen überlassen.

Eine Karte vom Osterwald aus dem Jahre 1680. Noch durchziehen das Moor keine Entwässerungsgräben. © Karte nach Curschmann
Eine Karte vom Osterwald aus dem Jahre 1692/98. Noch durchziehen das Moor keine Entwässerungsgräben.