Die Ostsee im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft
Jung und gefährdet
Geologisch betrachtet ist die Ostsee ein sehr junges Meer. Sie ist erst nach der letzten Eiszeit entstanden. Ihre jetzige Gestalt erhielt sie vor ca. 5.000 Jahren. Gleichzeitig ist die Ostsee eines der am stärksten genutzten und belasteten Meere der Welt. Durch die intensive landwirtschaftliche und industrielle Produktion in ihrem Einzugsgebiet gelangen jährlich große Mengen von düngenden und giftigen Stoffen in dieses Meer. Vor allem in den küstennahen Bereichen kommt es durch die Überdüngung regelmäßig zu sogenannten Algenblüten (Massenentwicklungen von Algen). Das Wasser färbt sich dann grünlich. Die Algenblüte wird insbesondere durch die Erwärmung des Gewässers verstärkt.
Ein Meer mit wenig Salz
Die Ostsee ist das größte Brackwassermeer der Erde. Brackwasser ist ein Gemisch aus Salz- und Süßwasser. Nur über das Kattegatt, einer schmalen Meeresenge, bekommt die Ostsee Salzwasser aus der Nordsee. Dafür sind kräftige Stürme aus westlicher Richtung nötig. Das Süßwasser stammt aus über 240 Flüssen und Regenwasser. Je weiter man sich in der Ostsee vom Kattegatt entfernt, umso stärker ausgesüßt ist das Wasser. Im Bereich des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft liegt der Salzgehalt bei etwa einem Drittel dessen, was für die Weltmeere typisch ist.
Ebbe und Flut in der Ostsee?
Der Tidenhub ist, anders als bei der Nordsee, in der Ostsee so gut wie nicht wahrnehmbar. Dennoch gibt es regelmäßig Wasserstandsschwankungen von über 1,5 m, die hauptsächlich durch die Stärke und Richtung des Windes bestimmt werden. Daher gibt es im Nationalpark ausgedehnte Windwattflächen.
Beschränkte Vielfalt
Mit dem geringen und stark schwankenden Salzgehalt kommen nicht alle Tierarten klar. Marine Fischarten wie Hering oder Flunder kommen regelmäßig im Nationalpark vor. Viele unterscheiden sich von ihren Artgenossen in der Nordsee durch ihr Aussehen und ihr Verhalten. Es sind eigene, genetisch getrennte Populationen.
Durch die Fischbestände gibt es auch viele fischverzehrende Säugetier- und Vogelarten im Nationalpark. Haubentaucher (Podiceps cristatus), Pracht- und Sterntaucher (Gavia arctica, Gavia stellata) sowie Zwerg-, Mittel- und Gänsesäger (Mergellus albellus, Mergus serrator, Mergus merganser) rasten hier im Winter zu Hunderten. Als Durchreisende auf dem Weg in ihre Überwinterungs- oder Brutgebiete sind sie, wie viele weitere Vogelarten, auf reiche Fischbestände angewiesen.
Am Boden der Ostsee leben Miesmuscheln (Mytilus edulis), Wattschnecken (Hydrobia ulvae), Herzmuscheln (Cerastoderma glauca) und Sandklaffmuscheln (Mya arenaria) - neben zahlreichen anderen wirbellosen Tieren. Sie sind die Nahrungsgrundlage für Meeresenten. Vor allem für die Eisente (Clangula hyemalis) sind die Ostseegewässer des Nationalparks und des nördlich angrenzenden Plantagenetgrunds ein unverzichtbares Überwinterungsquartier. In den flachen Gewässern nördlich des Darßes und Zingstes halten sich bis zu 90.000 Individuen auf. Nach der Oderbank ist hier der größte Überwinterungsplatz Europas. Nur selten bemerken die Besucher der Region diese vielen tausend Enten, denn es sind echte Meerestiere. Sie schwimmen fast ausschließlich weitab der Landflächen.
Schweinswale (Phocoena phocoena) und Seehunde (Phoca vitulina) können zu verschiedenen Zeiten verstärkt an der Ostseeküste beobachtet werden. Sie sind hier ganzjährig heimisch.
Ostsee-Kegelrobbe
Nach und nach kommt auch die Ostsee-Kegelrobbe (Halochoerus grypus grypus) an unsere Strände zurück. Im Jahr 2018 wurde erstmalig die Geburt eines Jungtieres an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns dokumentiert. 2019 wurden regelmäßig ruhende Kegelrobben an den Stränden der Nationalparkregion beobachtet.