Die Steilufer im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft

Extremer Lebensraum mit viel Dynamik

Steilküsten entstehen durch den natürlichen Landabtrag des Meeres. An den Steilküsten herrschen extreme Lebensbedingungen. Es kann zu hohen Temperaturschwankungen und zeitweise zu großer Trockenheit kommen.

Die Steilküste des Dornbusches von Hiddensee aus der Luft. © Rolf Reinicke
Die Steilküste des Dornbusches von Hiddensee aus der Luft.

Zwei Typen von Steilküsten

Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft unterscheiden wir zwei wichtige Typen von Steilküsten:

  • Moränensteilküsten sind Abbruchkanten an Endmoränen der letzten Eiszeit. Hier steht lehmiges oder mergelhaltiges (d. h. kalkreiches) Bodenmaterial an. Sie befinden sich am Dornbusch, am Nordoststrand der Insel Liebitz und im Bereich Ost-Ummanz.
  • Steilufer an nacheiszeitlichen Sanden finden sich vor allem am Darßer Weststrand und am Zingster Nordstrand im Bereich der Sundischen Wiese.

Eine weitere Besonderheit im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft sind Torfkliffe. So bezeichnet man die Abbruchkanten an aus dem Bodden emporgewachsenem Torf. Sie sind nicht sehr hoch. Torfkliffe sind besonders anschaulich am Ufer einiger Boddeninseln ausgebildet, wie an den Borner und Neuendorfer Bülten, dem Kirr, der Barther Oie, dem Großer Werder und der Heuwiese.

Zeigt sich eine natürliche Abbruchdynamik sprechen wir von aktiven Steilküsten. Bei inaktiven Kliffen hingegen finden keine Abbrüche mehr statt, da sie durch vorgelagerte Dünen, Strandwälle oder Verlandungszonen festgelegt sind. Kennzeichnend für diesen steil ansteigenden Lebensraum ist ein meist lockerer Bewuchs mit Pflanzen, Steilhanggebüschen und Hangwäldern. Ein inaktives Kliff finden wir zum Beispiel vor Barhöft.

Reiche Vegetation

Durch die unterschiedlich alten Uferabbrüche aktiver Kliffe entsteht ein kleinflächig wechselndes Mosaik aus ganz unterschiedlichen Pflanzengemeinschaften. Vor allem am Dornbusch kann man alle Entwicklungsstadien vom vegetationslosen Kliff über Magerrasen und lückige Gebüsche bis hin zum am Steilhang wachsenden Wald hervorragend erkennen. Floristisch besonders vielfältig sind die Magerrasenstadien. Nelken-Sommerwurz (Orobanche caryophyllea), Knöllchen-Steinbrech (Saxifraga granulata) und Weidenblättriger Alant (Inula salicina) wachsen hier. Zahlreiche lichtbedürftige Moose kommen an den vegetationsarmen, frisch abgebrochenen Moränensteilufern vor. An solchen Standorten können diese Gewächse der Konkurrenz durch andere Pflanzenarten am ehesten entgehen.

Unterhalb der Kliffe liegt oftmals noch Abbruchmaterial am Strand. Dessen Bewuchs ähnelt eher der Spülsaum-, Strand- oder Salzgraslandvegetation.

Spezialisierte Tierwelt

Charakteristisch für Steilufer ist eine reichhaltige Besiedlung durch bodengrabende Bienen, Grabwespen und Wegwespen. Darüber hinaus beherbergen Steilufer vielfältige Vorkommen anderer seltener Insekten. So hat am Dornbusch der farbenprächtige Goldpunkt-Laufkäfer (Calosoma auropunctatum) eines seiner wenigen Vorkommen in Mecklenburg-Vorpommern. Zahlreiche Arten haben an den Steilküsten des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft sogar ihr einziges im Land bekanntes Vorkommen.

Uferschalben pausieren auf einer Wurzel. © Jürgen Reich
Uferschalben pausieren auf einer Wurzel.

Uferschwalben


Typisch für die Moränensteilküsten ist die Besiedlung mit Uferschwalben, die bis zu zwei Meter tiefe Brutröhren in die Steilkanten graben. Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft leben mindestens 1.500 Brutpaare, weit über 1.000 allein am Dornbusch. Uferschwalben bauen ihre Nester allerdings nur an Küsten, die in den Vormonaten frisch abgebrochen sind.

Gefährdung der Steilufer

Die Steilküsten unterliegen wegen ihrer geringen Flächenausdehnung einer ständigen potenziellen Gefährdung. Trittschäden durch Besucher können große Anteile dieses Biotoptyps zerstören. Allein deswegen sollten Sie sich unbedingt an das Betretungsverbot der Steilufer halten. Außerdem ist das Klettern am Steilufer gefährlich.

Die Verhinderung der Erosions- und Abbruchprozesse durch Küstenschutzmaßnahmen ist der “Tod” des Steilufers. Wenn keine Uferabbrüche mehr stattfinden, verschwinden die meisten der typischen (und seltenen) Besiedler des Steilufers, denn im Laufe der Zeit geht mit fortschreitender Sukzession der offene, vegetationsarme Charakter dieses Lebensraumes verloren. Die typischen Tier- und Pflanzenarten sind jedoch auf weitgehend vegetationslose oder vegetationsarme Abbruchkanten angewiesen.

Sie können dies sehr gut am Dornbusch beobachten. Ein Teil des Steilufers ist durch den Bau der Huckemauer festgelegt worden. Die typischen offenen Bodenflächen, die großen Staudenbestände und Uferschwalbenkolonien werden Sie in diesem Bereich nicht mehr finden.