Eine Insel mit Weitblick
Nährstoffarme Trockenrasen sind in der heutigen Kulturlandschaft ein wertvoller, nach Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union (FFH) geschützter Lebensraum. Die Trockenrasen sind besonders artenreich und durch Beweidung entstanden. Die Dornbuschkuppen mit ihren sonnenbeschienenen Hängen und dem nährstoffarmen Geschiebemergel im Untergrund sind für zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten von besonderer Bedeutung.
„Aktuell hat sich insbesondere der Besenginster aufgrund des mangelnden Beweidungsdrucks und milder Winter auf dem Dornbusch stark ausgebreitet. Die Folgen dieser Verbuschung sind eine großflächige Verschattung und Veränderung des Mikroklimas. Dies hat negative Auswirkungen auf den darunterliegenden Trockenrasen“, erläutert Gernot Haffner, Leiter des Nationalparkamtes, die Notwendigkeit der Maßnahme.
Mit eigens für solche Einsätze umgebauter Technik werden die Ginsterbüsche zunächst abgetrennt. Das anschließend gehexelte Pflanzenmaterial wird von der Fläche gefahren. Das sichert gute, nährstoffarme Startbedingungen für die Trockenrasenarten. Zudem erfolgt der Pflegegang so schonend, dass die Folgepflanzen nicht beschädigt werden.
Ein Blick auf die Vegetation zeigt, dass sich der Aufwand lohnt: Während auf gebüschfreien Trockenrasen über 60 verschiedene Pflanzenarten vorkommen, beherbergen die verbuschten Flächen unterhalb des Inselblickes nur noch etwa 20 Pflanzenarten. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Rote Liste-Arten, deren Anzahl durch die Verbuschung von 17 auf 4 zurückgegangen ist. Dazu gehören seltene Schönheiten, wie die Heidenelke, die Sandgrasnelke, die Sand-Strohblume und das Berg-Sandknöpfchen. Steigt jedoch die Pflanzenvielfalt, erhöht sich auch die Anzahl gefährdeter und auf nährstoffarme Standorte spezialisierter Insekten. Für gefährdete Wiesenbrüter wie die Feldlerche, deren trillernder Gesang vielerorts selten geworden ist, bilden diese insektenreichen Trockenrasen deshalb wichtige Bruthabitate. Eine weitere Verbuschung, die sich ohne die nun durchgeführten Pflegemaßnahmen fortsetzen würde, hätte den vollständigen Verlust dieses speziellen Lebensraumes mit all seinen teils sehr seltenen Bewohnern zur Folge.
Einzelbäume, Baumgruppen und Feldgehölze sowie ausgewiesene Waldbereiche und kleinere strukturbereichernde Gebüschbestände werden nicht entnommen. Sie verbleiben auf der Fläche und dienen als Ansitzwarten, Nektarquelle, Versteck, Brut- und Rastplatz und erhöhen so die Qualität und Vielfalt dieses Lebensraums. Anschließend wird ab Frühjahr 2024 eine extensive Beweidung mit Angusrindern, einer robusten Rinderrasse, dafür sorgen, dass die Trockenrasen als Hotspot für den Naturschutz und Naturerleben dauerhaft erhalten bleiben. „Neben den positiven Effekten für die Artenvielfalt, wird auch das für Hiddensee typische Landschaftsbild einer Halboffenlandschaft erhalten. Auch in Zukunft wird der „Große Inselblick“ eine fantastische Aussicht über die Insel bieten“, so Haffner.
Die aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) geförderte Maßnahme in Höhe von 215.000 € fand auf Initiative des Nationalparkamtes Vorpommern statt.
Über den Lebensraum Trockenrasen, seine Entstehung und Artenvielfalt, sowie die notwendig gewordene Entbuschung und Bedeutung der anschließenden Beweidung informieren nun drei neue Infotafeln an den Standorten „Großer Inselblick“, „Dornbusch“ und „Beim Rübenberg“.
Hintergrund
Die Europäische Union beschloss 1992 das Schutzgebietsnetz Natura 2000 aufzubauen, das dem Erhalt wildlebender Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume dient. Das europaweite Natura 2000-Netz besteht aus den Gebieten der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) und der Vogelschutzrichtlinie.
Die Trockenrasen auf dem Dornbusch sind aufgrund der FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) geschützt. Die „Westrügensche Boddenlandschaft mit Hiddensee“ reiht sich in über 200 Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in Mecklenburg-Vorpommern ein. Die Natura 2000-Schutzgebiete sollen seltene Lebensraumtypen und Arten erhalten. Experten dokumentieren und bewerten regelmäßig Lebensraumtypen wie die Trockenrasen. So kann auf negative Entwicklungen rechtzeitig reagiert werden.