Mehr Raum für Natur am Ottosee
Wer dieser Tage den ehemaligen Nothafen am Ottosee besucht, wird ein völlig anderes Bild als noch im Spätsommer letzten Jahres vorfinden. Seit der Schließung des Nothafens Darßer Ort Mitte September 2023 und dem Beginn der Renaturierung verwandelt sich der Strandsee nach und nach in seinen natürlichen Zustand zurück und bekommen natürliche Prozesse wieder mehr Raum.
Am Anfang der Arbeiten stand der Rückbau des etwa 400 Meter langen Plattenweges, der zum Rundwanderweg führt. Die Platten wurden in kleinere Segmente zerlegt und einzeln entnommen, bevor sie vom Nothafen seeseitig abtransportiert und zum Recyceln nach Barth gebracht wurden. Gleichzeitig lief der Abbau des Holzsteges im Ottosee an. Die 78 ihn tragenden Kiefernpfähle, die nach der Wende gerammt wurden, zog ein Bagger einen nach dem anderen heraus. Desweiteren wichen das Leitfeuer und ein Lagergebäude auf der westlichen Seite des Ottosees. Noch vor Jahresende erfolgte der Rückbau der nördlichen Kaimauer, bevor im Januar 2024 mehrere Firmen mit der Demontage der südlichen Hafenmauer fortfuhren. Ein Unterfangen, das sowohl Arbeiten über als auch unter Wasser erforderte. Dafür brannten Taucher zunächst Löcher in die Spundwände unterhalb der Kaimauer, durch welche sie dicke Ketten befestigten. Verankerungen, die der Kaimauer Halt verliehen, wurden durchtrennt und Betonsäger zerlegten die Mauer in drei Meter breite Blöcke, bevor ein Kran diese Zahn für Zahn zog. Auch die Betonblöcke der Kaimauern und die Spundwände wurden zum Recycling nach Barth gebracht.
Da die Standsicherheit der hölzernen Zuwegung zum Nordstrand seit dem Rückbau der südlichen Kaimauer nicht mehr gegeben war, baute der Technische Dienst des Nationalparkamtes im Februar einen neuen Zugang. Bei Wind und Wetter zimmerten die Mitarbeiter einen etwa 50 Meter langen Bohlenweg zum Nordstrand. Mit Erdbohrer und Lochspaten packten sie kräftig an, um die 36 Löcher für die Eichenpfähle, die den Bohlensteg tragen, zu bohren. Stück für Stück verlegten die Mitarbeiter dann Unterzüge und die Bohlen aus Lärchenholz und brachten Geländer an.
In der Werkstatt in Born schnitten sie morgens das benötigte Material zu, welches sie tagsüber an der neuen Zuwegung verbauten. “Das Wetter war die größte Herausforderung”, erzählt Ranger Jens Bassek, der im Winter im Technischen Dienst im Einsatz ist. “Zweimal war es richtig schwer. Wenn man nass ist, zwei Jacken und nasse Handschuhe anhat, nasses Holz anfasst und der Wind immer aus erster Hand von See kommt, hat man ganz schön zu kämpfen”, erinnert er sich. Abgesehen vom Wetter bestand der schwierigste Teil für die Mitarbeiter darin, das nach DIN-Norm festgelegte Gefälle umzusetzen. Mit Schnur und Wasserwaage ausgerüstet stellten sie sicher, dass die Neigung von Plattform zum Nordstrand etwa fünf Prozent beträgt, sodass der neue 1,25 Meter breite Zugang auch garantiert barrierefrei erreichbar ist.
Nachdem die Mitarbeiter den neuen Nordteil der Plattform fertiggestellt hatten, begannen sie mit dem Rückbau der alten Zuwegung. Mithilfe eines Traktors zogen sie die alten Pfähle aus der Erde und bauten den weiter westlich gelegenen alten Zugang Schritt für Schritt zurück. Das alles geschah ganz ohne zwischenzeitliche Sperrungen, zur Freude der Wintergäste.
Dieser Tage bot sich Spaziergänger*innen außerdem ein seltenes Schauspiel, als die Buhnen östlich der Fahrrinne unter Einsatz schweren Geräts gezogen wurden. Da die Küstendynamik sich an diesem Ort wieder frei entfalten und Sand ungehindert anlanden soll, haben diese keine Funktion mehr.
Bevor die Renaturierungsarbeiten am einstigen Nothafen Darßer Ort gänzlich abgeschlossen sind, werden derzeit noch Arbeiten im Bereich der alten östlichen Kaimauer durchgeführt und u.a. Platten entfernt. Auch der Rückbau der Plattenstraße zum Nothafen steht noch aus, wofür eine vorübergehende Sperrung nötig sein wird. Die Renaturierung soll Anfang April nahezu abgeschlossen sein.
Dann kann sich der Naturraum nach einer fast 50 Jahre andauernden Einschränkung wieder ungestört entsprechend der Zielsetzungen des Nationalparkplans weiterentwickeln. „Auf dieses Ziel haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nationalparksamtes, der Umweltverbände, Naturschutzbehörden und viele Naturfreunde lange hingearbeitet. Ich gehe davon aus, dass sich anstelle des Nothafens schnell wieder sehr wertvolle Lebensräume entwickeln”, freut sich Gernot Haffner, Leiter des Nationalparkamtes.
Eine Bildergalerie über den Baufortschritt der Renaturierung befindet sich hier und wird fortlaufend aktualisiert.